Die Verwandten
Die (wahrscheinlich ältere) Schwester des Business Coaching, das ist Life-Coaching: eine Coaching Form, die für Privatpersonen, jedenfalls außerhalb des Unternehmens Kontexts, angeboten wird. Typischerweise sind die Themen anderer Natur als im Business Coaching.
Es geht nicht Führung oder Mitarbeiterförderung oder Umgehen mit Mikropolitik, sondern um “ganz eigene” Themen wie Familie, Lebensgestaltung, wie Partnerschaft. Gespräche zu diesen Themen hat es sicher schon seit Anbeginn der Menschheit gegeben. Life-Coaching als Begriff wurde jedoch erst neuerlich geprägt
Weitere Anliegen sind z.B. berufliche (Neu-) Orientierung. Oder Work-Life-Balance. Also thematisch Überschnei- dungen mit Business Coaching.
Deshalb mache ich Life-Coaching daran fest, dass diese Form vom Kunden gesucht und bezahlt ist, während Business Coaching aus dem Unternehmensbudget bezahlt wird. Private Themen (nicht: persönliche) werden häufig ausgeschlossen.
Die Tante, das ist die Psychotherapie. Psychotherapie ist für psychisch kranke Menschen, die z.B. an Depression leiden, akut Suizid-gefährdet sind oder Substanz-Missbrauch betreiben.
Ich glaube, man kann zu Recht sagen, dass sowohl Coachs als auch ihre Kunden (oder Coachees) hier ambivalent erscheinen können.
Es gibt
- Coachees, die Psychotherapie explizit (und vehement) ausschließen.
- Coachees, die Psychotherapie explizit oder implizit suchen.
- Coachs, die als Psychotherapeuten ausgebildet (und zugelassen) sind.
- Coachs, die einen nicht-psychologischen Hintergrund haben, ein großes Interesse an Psycho- therapie zeigen und in entsprechende Weiterbildungen investieren .
- Coachs, die meiden Psychotherapie wie der Teufel das Weihwasser.
Aus meiner Sicht bedenklich sind nur die Letzten.
Weil: schon ein schneller Blick in die Literatur zeigt, wie schwierig es ist, „normales” Coaching und Psychotherapie im „live“ Prozess immer und an jeder Stelle sauber und eindeutig voneinander abzugrenzen.
Nicht jede „rückwärts gerichtete“ Frage, nicht jede Frage nach der Stellung in der Geschwisterfolge, nicht jede Frage nach der Beziehung zu den Eltern ist schon eine „psychotherapeutische“. Dennoch wird ein engagierter und reflektierter Coach häufiger als erwartet an genau diese Schnittstelle kommen, an diese Grenzlinie, nicht ingenieurhaft definiert und für Interpretationen offen.
Er wird entscheiden müssen, ob er die nächste Frage stellt, von der er häufig erahnt, dass sie dem Coachee eine neue – und wirkungsvolle – Erkenntnis vermitteln könnte. Oder ob er wegen eigener Unsicherheit und wegen des “Dogmas”: keine Psychotherapie ! genau hier stehenbleibt. Am Ende hängt seine Entscheidung stark von seiner persönlichen Ethik ab. Und damit, wie er mit seiner Verantwortung umgeht. Allgemein lautet die Antwort in dieser Entscheidungssituation: erstens Haltung, zweitens Erfahrung, drittens Supervision. Und Fingerspitzengefühl.